Historie

„Der Weg aus dem Dunkel“
Im Jahr 1951 veröffentlichte der Blindenverband Niedersachsen e.V. die Aufklärungsschrift „Der Weg aus dem Dunkel“. In diesem Rechenschaftsbericht wird der Wiederaufbau der Blindenfürsorge in der Nachkriegszeit ausführlich dargestellt. Die Broschüre schildert eindrucksvoll die Situation der blinden und sehbehinderten Menschen in der Zeit nach der Kapitulation.  
Es wurde in den letzten 100 Jahren sehr viel erreicht, aber die Grundproblematik ist aus unserer Sicht immer noch gegeben: Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit blinde- und sehbehinderte Menschen selbständig arbeiten und Ihren Lebensunterhalt bestreiten können und somit auf Dauer ein vollwertiges Mitglied der menschlichen und staatlichen Gesellschaft sein können. 

Eine wichtige Säule war und ist bis heute das Blindenhandwerk
Blinde- und sehbehinderte Handwerker stellen seit je her hochwertige Artikel her. 
Leider gelang es auch damals nicht, den Handwerkern durch den Absatz allein ein unabhängiges Leben zu verwirklichen. Hier eine Werbeanzeige aus damaligen Zeiten.

Das staatliche Zeichen für Blindenware
So erging schon in den 50er Jahren der dringende Aufruf an die Bevölkerung, die Wirtschaft und die staatliche Verwaltung, das Blindenhandwerk durch Abnahme von Waren zu unterstützen und somit deren Existenz zu sichern. Es musste sich damals wie heute um echte mit dem staatlichen Blindenzeichen versehene Blindenware handeln.  

Wohnraum schaffen
Neben einem weiteren wichtigen Aspekt, der Arbeitsvermittlung von blinden- und sehbehinderten Menschen in den 1. Arbeitsmarkt, musste Wohnraum für blinde Menschen geschaffen werden. 
In dieser Zeit errichtete der Blindenverband Niedersachsen auf dem Gelände der heutigen staatlich anerkannten Blindenwerkstätte H. Sieben e.K. ein Wohnheim mit Werkstätte.
Hier lebten bis zu 100 blinde Menschen, die aus Ihren damaligen Gebieten vertrieben wurden oder zuvor in Flüchtlingslagern untergebracht waren. Diese Menschen haben in der Loccumer Heide eine neue Heimat gefunden. 

Das Blindenwarenvertriebsgesetz kommt
Am 09.04.1965 wurde das Blindenwarenvertriebsgesetz nebst Durchführungsverordnung durch den deutschen Bundestag beschlossen.
Seit diesem Zeitpunkt gibt es einheitliche Standards in der Blindenfürsorge. Das Gesetzt regelt nun eindeutig, wer eine staatlich ankerkannte Blindenwerkstätte betreiben darf und welche Produkte den Namen und das Siegel Blindenware tragen dürfen. Ebenso wird im Detail geregelt, in welcher Weise diese Produkte von den blinden- und sehbehinderten Menschen hergestellt werden dürfen. Ebenso wird in diesem Gesetz auf den Vertrieb eingegangen.  
Alle Blindenwerkstätten, Produktionseinrichtungen und selbständigen Handwerker mussten sich ab diesem Zeitpunkt an das neue Gesetz anpassen, wenn Sie von nun an Produkte unter dem staatlichen Siegel der Blindenarbeit verkaufen wollten.
  
Die Blindenwerkstätte Holger Sieben e.K.
Holger Sieben wurde 1967 geboren und wuchs im Umfeld einer solchen staatlich anerkannten Blindenwerkstätte auf. Der Vater hat sein Leben lang die Produktion einer Blindenweberei geleitet. 
Das Zusammenleben zwischen behinderten und nicht behinderten Menschen im Arbeits- und Privatleben prägte das soziale Verständnis. 1985 machte Holger Sieben seine kaufmännische Ausbildung in einer Werkstätte für behinderte Menschen (WfBM) und eignete sich hier die Kenntnisse für die Leitung einer solchen Einrichtung an. Nach seiner Wehrdienstzeit gründete Holger Sieben 1993 die Blindenwerkstätte Holger Sieben in Leese/Weser, die nach den Prüfungsverfahren durch das Land Niedersachsen am 12. Oktober 1995 die staatliche Anerkennung erhielt.
Hohe Qualitätsanforderungen an die hergestellte Blindenware und die konsequente Einhaltung des Blindenwarenvertriebsgesetzes wurden die Garanten für eine erfolgreiche wirtschaftliche Arbeit.

Der Umzug in die Loccumer Heide
Im Jahr 1999 wurde das vom Blindenverband Niedersachsen geführte Blindenwohnheim und die zwischenzeitlich vom Bund als Übergangslager für Flüchtlinge aus dem Jugoslawienkrieg genutzte Liegenschaft in Loccum zum Kauf angeboten. Holger Sieben bewarb sich mit dem Konzept einer staatlich anerkannten Blindenwerkstätte und einem dazugehörigen Blindenwohnheim unter dem Titel „Leben, Wohnen und Arbeiten in der Loccumer Heide“ und erhielt den Zuschlag.  

Nach einer erneuten Antragsstellung und Überprüfung wurde auch dieses Projekt von der Bezirksregierung Hannover als staatlich anerkannte Blindenwerkstätte am 03. Dezember 1999 genehmigt. Nachdem die vorhandenen Gebäude umgebaut und eine moderne Produktionshalle hinzugefügt wurde konnten hier bis heute 60 Arbeitsplätze für blinde-, sehbehinderte-, behinderte- und nichtbehinderte Menschen eingerichtet werden.  

Früher wie heute
Alle Komponenten, die schon vor 100 Jahren wichtig waren, sind auch jetzt in diesem Konzept umgesetzt worden und werden von allen Mitarbeitern gelebt.  Auch wenn das Blindenwarenvertriebsgesetzt im Jahr 2007 in Zuge der Europäisierung aufgehoben wurde, müssen sich staatlich anerkannte Blindenwerkstätten auch in Zukunft an die Inhalte dieses Gesetzes halten, um nicht ihren gesetzlich garantierten Bestandsschutz und die damit verbundene staatliche Anerkennung zu verlieren.  Nur diese gleichbleibende Qualität der Blindenfürsorge garantiert auch in Zukunft beste Produkte aus Blindenhand und gesicherte Arbeitsplätze für blinde- und sehbehinderte Menschen. 

Nur wirkliche Blindenware, die in Blindenwerkstätten von blinden Heimarbeitern hergestellt ist, darf das Schutzzeichen der “Deutschen Blindenarbeit”, zwei der Sonne entgegengestreckte Hände, tragen. Jedes von Blinden gefertigte Stück ist daneben noch durch die Herstellerfirma gekennzeichnet. Blindenware ist handwerkliche Qualitätsware. Wer sie kauft, unterstützt alle Blinden.

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